Festkommers im Bürgerzentrum
Am Samstagabend (3.10.2015) feierte das Leutnantsglied der St. Sebastianus Bürgerschützen-Gesellschaft sein 50-jähriges Bestehen. Gerade einmal 50 Jahre scheint keine große Sache zu sein vor dem Hintergrund, dass die Bürgerschützen bereits auf eine mehr als 600 Jahre zählende Historie zurückblicken können. Aber die Neugründung des Leutnantsgliedes durch 36 junge Männer im Jahre 1965 hatte eine große Bedeutung und Auswirkungen bis zum heutigen Tage. Denn sie leitete die Demokratisierung der Traditionsgesellschaft ein und sicherte damit ihre Zukunft.
Aus 208 Bürgerschützen im Jahre 1964 sind heute über 700 Mitglieder geworden. Von Nachwuchssorgen spricht hier niemand mehr und das damals als „Rebellencorps" bezeichnete Leutnantsglied hat daran großen Anteil. In dieser Hinsicht waren sich alle Redner beim Festkommers im prächtig geschmückten Bürgerzentrum in Ahrweiler einig. Die abendliche Feier begann im Anschluss an den Gottesdienst, der von Dechant Jörg Meyrer in der St. Laurentiuskirche zelebriert wurde. Zugführer Ralf Wershofen begrüßte die Schützenbrüder und ihre Damen, nachdem er eine lange Reihe von Ehrengästen persönlich willkommen geheißen hatte. Besonders freute er sich darüber, dass 13 Gründungs- mitglieder gekommen waren, außerdem fünf Witwen von Gründern. „Ohne euch gäbe es die Bürgerschützern heute wohl nicht mehr", vermutete er, „ihr habt mitgeholfen, die Schützen zukunftsfähig zu machen."
Wie Hans-Georg Klein später am Abend in seiner Festrede ausführte hatten die jungen Männer damals eine ganze Reihe von nie gehörten, revolutionären Vorstellungen. Denn in den 1960er Jahren waren die Ahrweiler Schützen noch eine sozial undurchlässige Organisation. Die Klassenzugehörigkeit war unter anderem an den Mitgliedsbeiträgen, an den Uniformen und an der Bewirtung zu erkennen. Im früheren Leutnantsglied, welches traditionsgemäß für die Tagelöhner, Arbeiter und Kleinhandwerker offenstand, wurde statt Schützenwein Bier ausgeschenkt. Ein Mitspracherecht gab es nicht. Entsprechend schockierend wirkte die Forderung der 36 jungen Ahrweiler Männer, als geschlossene neue Einheit den Bürgerschützen beizutreten und ihren Offizier selber zu bestimmen. Letztendlich setzten sie sich durch. Bei derart gravierenden Nachwuchsproblemen konnte man 36 potentielle Neumitglieder wohl doch nicht so einfach abweisen. Zähneknirschend stimmten die Entscheidungsträger im Verwaltungsrat der Aufnahme zu. Und laut Klein wurden neben der Neugründung noch weitere Punkte erreicht: gleiche Uniformierung und gleicher Beitrag für alle Schützenbrüder, Aufzug aller Bürgerschützen - bis dahin nur Elitecorps und Königsglied - beim Vogelschießen, Vorschlagsrecht des Zuges bei der Wahl seines Offiziers. Albert Friedrich war der erste Zugführer. Sein Nachfolger Hans Fuhs, war zwei Jahrzehnte im Amt. Während seiner Zeit wuchs der Zug auf 120 Mann. 2008 wurde dann der jetzige Zugführer Ralf Wershofen gewählt. Bis heute haftet dem Leutnantsglied der Name „Rebellencorps" an. „Zwei ehemalige Rebellen haben es sogar bis zum König gebracht", wusste Wershofen. 1990 wurde Corpsmitglied Pit-Jupp Monreal König der Ahrweiler Bürgerschützen, 2003 Edmund Flohe.
Hauptmann Willi Busch würdigte die unbequemen jungen Männer von 1965: „Die damaligen Schützenbrüder hatten einen Blick für die Zukunft mit ihren demokratischen Neuerungen. Heute zählen die Ahrweiler Bürgerschützen über 700 Mitglieder, und alle sind dankbar für die Neugründung." Stadtbürgermeister Guido Orthen meinte gar: „Diese kleine Revolution hat mehr für das Schützenwesen getan als alle Sponsoren und Aktionen. Mit Courage haben 36 junge Männer viel Staub aufgewirbelt und alte Zöpfe abgeschnitten." Denn auch für das Brauchtum gelte, dass bisweilen neue Wege gegangen werden müssen um das zu bewahren, was zu bewahren lohnt. „Den Mut zum Wandel feiern wir hier heute Abend mit dem Leutnantsglied. Lasst weiter Veränderung zu, bleibt immer authentisch und offen!", lautete der Appell des Bürgermeisters. Als Geschenk hatte er ein paar Flaschen Wein der Marke „Rebellenblut" mitgebracht. Die kleine Revolution im Jahre 1965 sei die Einleitung gewesen für die Demokratisierung der Schützen, sagte Landrat Dr. Jürgen Pföhler. Die stünde heute da als eine der Zukunft zugewandte Gesellschaft und als eine Wertegemeinschaft. „Werte müssen gelebt werden", mahnte der Landrat weiterhin Hilfe und Unterstützung auch für die Kriegsflüchtlinge an. Dechant Jörg Meyrer dankte den „Rebellen" für ihren Mut. „Sie haben gezeigt: Traditionen müssen lebendig gehalten werden." Auch Vertreter der anderen Gesellschaften sowie Burgundia Theresa Ulrich überbrachten Glückwünsche.
Live-Musik spielte die PJG-Bigband. Zugführer Ralf Wershofen fasste in einem Beispielbild zusammen, was die 1965er Rebellion dauerhaft verändert hat und was für ihn heute den Schützengeist widerspiegelt: „Bei unseren Anlässen sitzen Jung und Alt, Schützenbrüder quer durch alle Berufsgruppen zusammen und verbringen gesellige Stunden miteinander. Verbunden durch wahren Bürgersinn."
50 Jahre Leutnantsglied
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