Mit den Ahrweiler Bürgerschützen bei der Traubenlese im Forstberg und auf dem Karlskopf
Das nennt man dann wohl ein eiskaltes Händchen. Und das nach gerade einmal fünf Metern im Wingert. Kleiner Temperatursturz in der linken Hand. Die Finger kleben aneinander, als hätte man sich ein großes Glas Saft über den Arm gekippt und aufs abwaschen verzichtet. Der rechten Hand dagegen geht's großartig: Die Weinlese-Schere schneidet durch die Stängel wie durch hauchdünnes Papier.
Neun Uhr morgens im Karlskopf, einem der beiden Weinberge der Ahrweiler Bürgerschützen. 165 Meter bergab, elf Reihen Spätburgunder. In Zweier-Mannschaften stehen alle entlang der Rebstöcke. Unten, im Tal, wabert Morgennebel zwischen den Dächern der Stadt. Ein aufgeregter Schwarm Stare fliegt über die Berge. Für sie gibt's bald keine leckere Beerenmahlzeit mehr, zumindest in diesem Weinberg. Schnipp, nächste Traube im Bottich - wenn's denn so einfach wäre. Die letzten zwei Tage hat es geregnet, und in manchen Trauben finden sich schimmelige Beeren. Also: Traube abschneiden, genau begutachten ('ne kalte Hand kriegen), mit der Schere die faulen Stücke herauspulen, und rein in den orangenen Behälter werfen. Piselskram, keine Frage. Aber der Wein soll schließlich richtig gut schmecken. "Weg mit allen faulen Beeren. Das ist nicht der wahre Jakob", sagt Albert Schäfer. Im Blaumann steht der 82-Jährige im Wingert. Gekonnt schneidet er die Trauben ab, und wenn sie noch so verzwickt zwischen den Ästen ranken. "Wo is'er, der Feigling", brummt Albert Schäfer, als er nach dem Stiel einer großen Traube sucht. Zwischen den hoch gewachsenen Kletterpflanzen rufen sich die gebückten Erntehelfer zu. "Dieter!" "Ja!" "Wo biste?!" "Hier!" "Wo?!" "Na hier!" Klar, dass die Stimmung gut ist. Erst recht, weil nach etwa einer Stunde die Sonne herauskommt und sich spätestens jetzt alle warm geschnippelt haben.
Zeit zum Klönen und für Fachgespräche bleibt während der Lese sowieso. Gegen Mittag sind die Helfer durch mit dem Karlskopf. Ab ins Auto. Rüber zum Forstberg, dem zweiten Wingert der Bürgerschützen auf der anderen Seite des Tals. Thomas Hüttig, der sich mit seinem Vater Dieter um beide Weinberge kümmert, fährt mit dem Traktor vor. Im Anhänger: Bierbänke und Tische, Brötchen und Wurst, Wein und Kaffee. Jetzt ist "Martelsjass", Erntedank im Wingert. Nachdem sich alle gestärkt haben, ist der Forstberg dran. Zum Glück finden die Bürgerschützen hier deutlich weniger faule Beeren. Die Ernte fahren sie danach zum Weingut Adeneuer. Dort werden die Trauben entrappt, in Maischebottiche gelagert oder als zukünftiger Weißherbst im Fass gebunkert. Im Weingut teilen Winzer Mark und Frank Adeneuer den Schützen noch einmal offiziell das Ergebnis ihrer Arbeit mit: 89 Öchsle, rund 5 000 Liter. Die Bürgerschützen freuen sich.