In diesem Jahr war beim Historischen Trinkzug in Ahrweiler wegen Corona und Flutfolgen vieles anders. Die Gastgeber gaben sich alle Mühe, für ein fröhliches Schützenfest zu sorgen. Manch einer kredenzte den Wein noch aus einer Baustelle heraus.
Das Ahrweiler Schützenbrauchtum sieht eine ganz besondere Veranstaltung vor, die man nicht nur in den Reihen der Grünröcke, sondern in der ganzen Stadt immer lange im Voraus freudig erwartet: den Historischen Trinkzug. Dieser wird immer dann veranstaltet, wenn die Bürgerschützengesellschaft einen neuen Schützenkönig proklamiert. In der Regel findet das Spektakel alle drei Jahre statt, die Abstände können aber auch variieren, weil man alle 25 Jahre ein Jubiläum feiert und damit verbunden auch immer ein „Großes Schützenfest“ mit neuer Majestät und eben diesem Trinkzug feiern möchte. Veranstalter des Spektakels ist dabei mehr oder weniger die Bürgerschaft und nicht die Schützen. Ahrweiler Geschäftsleute und Einwohner laden nämlich besagte Schützen zu einem „Ehrentrunk“ ein, mit dem man sich zumindest in früheren Jahrhunderten dafür bedankte, dass die Eingeladenen in unruhigen Zeiten den Kriegsdienst übernahmen und die Stadt vor Angreifern schützten. Die Historie des Trinkzugs geht zurück bis ins 15. Jahrhundert. Kriegsdienst ist bei den Grünröcken schon lange kein Thema mehr, auf die angenehmen Seiten des historischen Treibens verzichten will man aber auch nicht. Und so findet diese wohl einmalige Veranstaltung auch heute noch statt. In der Nacht von Sonntag auf Montag war es wieder einmal so weit: Nachdem am frühen Abend die frisch ermittelten und proklamierten Bürger- und Junggesellenkönige in die Ahrweiler Altstadt eingezogen waren, wurden in den Gassen überall Tische aufgebaut, mit Leuchtern und Blumenschmuck dekoriert, Gläser aufgestellt und Weinflaschen aufgezogen. An diese „Altärchen“ traten die Schützen in kleinen Gruppen, „Rotten“ genannt, grüßten artig, nahmen einen Schluck Wein und tauschten sich kurz mit den Gastgebern aus. Mal über Belangloses, mal über ernste Themen.
In diesem Jahr war aber vieles anders. Zwei Jahre lang hatte die Corona-Pandemie das Land und auch das Treiben der Schützen in Schach gehalten, viele lieb gewonnene Veranstaltungen mussten ausfallen. Im vergangenen Juli verwüstete dann eine Sturzflut große Teile des Ahrtals und damit auch der Ahrweiler Altstadt. „Kann man denn überhaupt ein Schützenfest mitsamt Trinkzug in dieser Situation feiern?“ Das war die große Frage, die die Schützenführung um Hauptmann Jürgen Knieps schnell mit Ja beantwortete.
Um die Corona-Ansteckungsgefahr zu bändigen, gab es für jeden Teilnehmer und für jeden Gastgeber ein eigenes Weinglas. Zudem wurden Zugweg und Zeiten modifiziert. Start und Ziel entfielen, stattdessen gab es einen Rundweg, auf dem von drei Positionen aus gestartet wurde. Gerade für die Junggesellen-Schützen ein enormer Vorteil, konnten auch sie früher auf die Reise an die Altärchen treten. Ihr später Start nach den Bürgerschützen hatte in der Vergangenheit manchen Gastgeber dazu bewegt, seinen Stand zu schließen, wenn die Bürger durch waren.
Jetzt sollte alles bunt gemischt sein, so wie es auch hinter den Altärchen war. Manch einer kredenzte den Ehrentrunk noch aus einer Baustelle heraus. Dort, wo noch Fenster fehlten, wurde mit „Maien“ kaschiert, die ansonsten den ganzen Weg schmückten. Die Gastgeber gaben sich alle Mühe, für ein fröhliches Fest zu sorgen. Die meisten hatten ihre Häuser beflaggt. Am Alten Rathaus versorgten der kreisstädtische Beigeordnete Hans-Jürgen Juchem und Ahrweilers Weinkönigin, Burgundia Ruth Simons, die Gäste mit dem Trunk der Stadt, am Blankartshof schenkte Bacchus Bernd Krah im Ornat des Weingotts aus. Die Ahrhutgemeinschaft hatte ihr Stadttor geschlossen, hier wurde die Königin der befreundeten Schützen aus Breitenbach am Inn als Mitgastgeberin gesehen. Besonders heimelig war es in den engen Gassen, im Johanniswall wurde der Wein auch schon mal aus dem Fenster heraus kredenzt. Immer wieder sorgten Spielmannszüge und Blaskapellen für Stimmung, da sah man die Schützen auch tanzen. In den wenigen wieder geöffneten Kneipen der Stadt, vor allem auf dem Markt, herrschte Volksfeststimmung bis zum frühen Montagmorgen.
An die Altärchen traten nicht nur Ahrweiler Schützen, auch Gruppierungen aus Lantershofen und Breitenbach waren eingeladen. Mit Uwe Hecht war auch ein einziger Schütze im blauen Gewand unterwegs. Der „Ahrweiler Jung“ vertrat die Gebirgsschützenkompanie aus dem bayerischen Aibling. Der Breitenbacher Hauptmann Peter Ortner zeigte sich indes von den Flutschäden sichtlich bewegt. Auch wenn man am Inn meist in Abständen eines Vierteljahrhunderts immer wieder große Hochwasser erlebt, kannte er solche Schäden nicht. Die Befürchtung, es würde in der Nacht an den Ständen nur über die Flut geredet, bewahrheitete sich übrigens nicht.